Nachdem im Mai eine erste Einstellung wegen Geringfügigkeit im Dresdner §129 Verfahren („Bildung einer kriminellen Vereinigung“) erging, trudelten in den vergangenen zwei Wochen weitere Einstellungen bei den Betroffenen ein. Laut Spiegel ist damit das Verfahren abgeschlossen und die Ermittlungen eingestellt. Dabei wurde gegen 18 Beschuldigte das Verfahren nach § 153 Abs. 1 StPO eingestellt, gegen zwei Beschuldigte erfolgte eine Einstellung nach § 154 Abs. 1 StPO, unter anderem gegen Lothar König.
Gegen die anderen Beschuldigten erfolgte eine Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO. Die Einstellungen nach § 170 Abs. 2 StP0 erfolgten, da keine Schuld nachgewiesen werden konnte und die nach § 153 Abs. 1 StPO erfolgten, da die Schuld als gering anzusehen war.
Dieses Ergebnis ist bemerkenswert: Zuallererst sind wir natürlich unglaublich froh und freuen uns, dass diese Geschichte erstmal ein Ende hat und die von der Repression Betroffenen wieder aufatmen können. Endlich können diese wieder ein Leben führen ohne zu befürchten, das alles was sie tun von den Polizeibehörden verfolgt wird. Seit mehr als vier Jahren ermittelten Staatsanwaltschaft und Polizei nun gegen die von ihnen konstruierte „Antifa-Sportgruppe“. Im April 2011 wurden 20 Privat- und Geschäftsräume in Sachsen, vor allem in Dresden, und Brandenburg durchsucht. Computer, Telefone, persönliche Sachen wurden beschlagnahmt und den Beschuldigten DNA-Proben entnommen. Martialisch wurden teilweise mit SEK-Beamten Wohnungstüren aufgetreten und versucht Menschen einzuschüchtern. Die Staatsanwaltschaft Dresden ließ der Presse blutrünstige Fotos zukommen von einem angegriffenen Nazi, der schwer verletzt im Krankenhaus lag. Damit sollte das Bild der „gewalttätig organisierten Antifa-Sportgruppe“ untermauert werden. Teilweise war die Presse direkt mit der Polizei am Ort des Geschehens und konnte live dabei sein.
Bereits seit 2010 hatten die Ermittlungsbehörden observiert, Telefone abgehört und Diagramme über vermeintliche Hierarchien der „Anitfa-Sportgruppe“ erstellt. Spätestens mit Bekanntwerden des Ermittlungsverfahrens gegen den Jenaer Pfarrer Lothar König als Teil dieser Gruppe wurde auch einer größeren Öffentlichkeit klar, dass diese Konstruktion nur in den Köpfen der Repressionsorgane funktioniert und es sich hier um einen Versuch handelte, linke und Anti-Nazistrukturen in Dresden zu durchleuchten und kriminalisieren. Die Begründungen der jetzt vorliegenden Einstellungen zeigen dies um so deutlicher.
Die Analyse des Verfahrens der Akten zeigte, dass alle Ereignisse, die auch nur im Entferntesten mit Nazis zu tun hatten, in die Ermittlungen einbezogen worden sind und ein vermeintliches Schema, nach welchem die „Sportgruppe“ vorgegangen sein soll, haltlos vermutet wurde. Auf diese Weise gelangten immer mehr Einzelpersonen in das Verfahren, weil sie zum Beispiel mit Menschen telefonierten, gegen die bereits ermittelt wurde. So wurden dann aus Menschen, die einen Hinweis zu Computerfragen geben konnten, „IT-Experten der Gruppe“ und Menschen, die ein Auto besaßen, zu „Organisatoren“.
Bemerkenswert ist darüber hinaus, dass die Ermittlungen auf der Aussage des bekannten Neonazis Toni Beger basieren. Beger hatte gegenüber der Polizei ausgesagt, dass sich im Fitnessstudio „Vollfit“ die „Antifa-Sportgruppe“ treffen würde. Daraufhin wurde das Fitnessstudio über Monate hinweg von der Polizei überwacht und eine Liste aller Mitglieder von der Polizei erfragt. Es reichen also Spekulationen und willkürliche Aussagen von Neonazis, um massive Eingriffe in die Privatsphäre und den Einsatz der ganzen Palette an Repressalien auszulösen
Das mittlerweile über vier Jahre gezogene Verfahren bestätigt einmal mehr, dass der §129 StGB ein reiner Ermittlungsparagraph ist, der in diesem Fall das Ziel hatte, die linke Szene auszuspähen, so viele persönliche Informationen wie möglich zu sammeln und die politische Arbeit zu behindern. Zeitweillig wurden bis zu 50 Beschuldigte in dem Verfahren geführt, jetzt wurden die Ermittlungen endlich eingestellt. Die Ermittlungen gegen fünf Personen wurden vermutlich in einem anderen Tatkomplex unter dem Namen „Gewalthandy“ abgetrennt und ein eigenes §129 Verfahren eröffnet.
Die Dresdner Staatsanwalt möchte trotz all dieser Absurditäten keine Fehler einräumen und entschied sich in den meisten Fällen nach §153 StPO einzustellen: So geringfügige Schuld, dass kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht. Wie es sein kann, dass ein Verfahren gegen „Rädelsführer“ und „gefährliche, gewalttätig organisierte“ Antifaschist_innen nun wegen geringer Schuld eingestellt werden konnte, mag nur die Staatsanwaltschaft selbst verstehen. Hand in Hand arbeiteten Richter, Staatsanwaltschaft und Polizei über vier Jahre lang, um den Repressionsdruck möglichst hoch zu halten, mit dem Resultat, dass das komplette Verfahren eingestellt wird ohne dass daraus Anklagen resultierten. Der Verlauf der Ermittlungen und das Vorgehen der Dresdner Staatsanwaltschaft bestätigen einmal mehr die Notwendigkeit der Abschaffung des §129 StGB.
Warum nun gerade jetzt die Einstellung erfolgt, bleibt offen. Erst vor wenigen Monaten wurde bekannt, dass die Sicherheitsbehörden wegen „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ in Leipzig ermitteln. Möglicherweise brauchen die Ermittlungsbehörden ihre Kapazitäten hier, oder die Ermittlungsbefugnisse aus diesem Verfahren reichen auch aus, um im Zweifelsfall wieder in Dresden wühlen zu können.
Solidarität mit den Betroffenen staatlicher Repression
Abschaffung des §129!
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