Die Kampagne Sachsens Demokratie wird in Zukunft verstärkt zu der Thematik des „Nationalsozialistischen Untergrundes“ (NSU) arbeiten. Als Schwerpunkte wollen wir dabei den sächsischen parlamentarischen Untersuchungsausschuss kritisch begleiten, auf das Unterstützer_innen-Netzwerk des NSU in Sachsen hinweisen und eine Auseinandersetzung mit institutionellem und Alltagsrassismus befördern.
Zwickau liegt in Sachsen!
Die bekennenden Nazis Uwe Böhnhard, Beate Zschäpe und Uwe Mundlos lebten jahrelang unentdeckt in Sachsen. Aus Sicht der sächsischen Landesregierung scheint dies jedoch nur eine untergeordnete Rolle zu spielen. Bereits mit der gern verwendeten Bezeichnung als „Thüringer Terrorzelle“ wird klargestellt, dass damit verbundene Verantwortlichkeiten nicht als sächsische gesehen werden wollen.
Vor über zehn Jahren schon hatte der damalige sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf die politische Leitlinie prägnant vorgegeben: Die Sachsen seien „völlig immun gegenüber den rechtsradikalen Versuchungen. In Sachsen haben noch keine Häuser gebrannt, es ist auch noch nie jemand umgekommen.“ (Sächsische Zeitung, 28.9.2000).
Entsprechend existiert in den zuständigen sächsischen Behörden ein prinzipieller Unwille und eine Unfähigkeit zur Aufklärung rechter Mord- und Gewalttaten. Ein Beispiel ist der Umgang mit dem Mord an Kamal Kilade im Oktober 2010 in Leipzig. Bis zuletzt wollte die anklagende Staatsanwaltschaft kein rassistisches Tatmotiv erkennen.
Die Polizei ist einem solchen in ihren Ermittlungen nicht nachgegangen und ignorierte Hinweise auf die rechte Gesinnung der Täter. Das Schwurgericht am Leipziger Landgericht aber folgte der Nebenklage, verurteilte einen der Täter wegen Mordes aus niedrigen Beweggründen und würdigte damit die rassistische Einstellung der Täter: „Er hat das Opfer nicht als Mensch gesehen, sondern als Ausländer, den man töten kann“, hieß es in der Urteilsbegründung. Anders im Fall des Wohnungslosen Andre K., der im Mai 2011 in Oschatz von fünf Männern zu Tode geprügelt worden war. Weder Polizei, noch Staatsanwaltschaft, noch das Gericht hielten es für notwendig, das Motiv der brutalen Tat aufzuklären. In dem ein Jahr andauernden Prozess am Leipziger Landgericht stießen die Versuche der Nebenklage, die sozialdarwinistischen Beweggründe der Täter offen zu legen, auf taube Ohren.
Sichtbarmachung der Unterstützer_innenstrukturen in Sachsen!
Eine Vielzahl der Unterstützer_innen des NSU leben in Sachsen: beispielsweise Thomas Starke in Dresden, Susann Eminger in Zwickau oder Mandy Struck in Schwarzenberg. Eine der maßgeblichen Unterstützerstrukturen des NSU – das im Jahr 2000 verbotene Neonazinetzwerk Blood & Honour – war auch in Sachsen aktiv. Aus den Reihen der sächsischen B&H-Sektion kamen mindestens drei NSU-Unterstützer. Bis heute finden sich personelle Kontinuitäten in der neonazistischen Musikbranche. Ein Beispiel: OPOS Records in Dresden. Für das Label zeichnen zwei Männer verantwortlich, die mit Blood&Honour in Verbindung standen. Michael Lorenz war letzter sächsischer Sektionschef und Sebastian Raack nahm an mehreren Treffen von B&H teil. Diese Nazis und ihre Netzwerke aus der Anonymität zu holen, ist eine zwingende Notwendigkeit.
Das Problem heißt Rassismus!
Der NSU handelte aus einer völkisch-nationalistischen und rassistischen Motivation heraus. In den eigenen Bekennervideos begründen die Macher_innen etwa den Mord an Enver Şimşek mit dem „Erhalt der deutschen Nation“. In einem anderen Video feiert der NSU seine Morde mit einem Schild: „Heute Dönerspieß“. Damit verhöhnen die Nazis ihre Opfer und werten gleichzeitig Menschen rassistisch ab, der vermeintliche „Türke“ wird zum aufgespießten Fleischstück degradiert. Damit zusammenhängend müssen wir auch über den gesamtgesellschaftlichen Rassismus in Deutschland sprechen. Die mediale Benennung der Taten als „Dönermorde“ ist mehr als nur leicht diskriminierend, sondern dem Wortspiel der Täter_innen erschreckend ähnlich. Die Gleichsetzung „Türke“ = Döner ist ein deutscher Alltagsrassismus, mit dem bereits Kinder sozialisiert werden. Umfragen zeigen immer wieder, dass Rassismus und Chauvinismus gerade in Sachsen dramatisch verbreitet sind. Selbstverständlich sind auch Behörden nicht frei von Rassismus, im Gegenteil ist er fest in deutschen Institutionen verankert. Die Suche nach den Mörder_innen der NSU-Opfer im Milieu „kriminelle Ausländer und Mafia“ statt in nazistischen Zusammenhängen zeigt, wie voreingenommen von rassistischen Kriminalisierungen deutsche Staatsdiener_innen ermitteln.
Was ist zu tun?
Die Netzwerke hinter dem NSU aufdecken.
Gemeinsam gegen Rassismus vorgehen.
Die Extremismusideologie als verharmlosende Verklärung rassistischer Gewalt entlarven.
Sächsische Verhältnisse kippen.