Mit großem Aufgebot stürmte die sächsische Polizei am 19.02.2011 das Haus der Begegnung in Dresden. Man vermutete dort die Koordinierungsstelle einer kriminellen Vereinigung, die Gewalttaten gegen Nazis organisiere. Gefunden hat man sie jedoch nicht. Nach 16-monatiger ergebnisloser Untersuchung stellt die Staatsanwaltschaft Dresden die Ermittlungen gegen 21 Beschuldigte nach §170 Abs. 2 (StPo) mangels Tatverdacht ein. Das §129-Verfahren läuft unterdessen weiter.
Die Beschuldigten waren u.a. für das Aktionsbündnis „Dresden Nazifrei“ im Haus der Begegnung, organisierten dessen Pressearbeit und öffentliche Info-Telefone. Mit Hilfe eines IMSI-Catchers will die Polizei Handygespräche abgehört haben, von denen sie zum einen behauptet, sie wären im Haus der Begegnung geführt worden und zum anderen, dass darin Gewalttaten koordiniert worden wären. Mündlich wurde die Durchsuchung durch eine Amtsrichterin genehmigt. Die Beamten liessen sich nicht lange bitten und durchsuchten neben Räumen eines Jugendvereins rechtswidrig auch ein Anwaltsbüro, eine Privatwohnung und Parteibüros der LINKEN. Die aufgefundenen Personen wurden durchsucht und zur ED-Behandlung aufs Polizeirevier verschleppt – und waren von nun an verdächtig Teil einer kriminellen Vereinigung zu sein.
Das zugrundeliegende §129-Verfahren wurde bereits vor dem 19.02.2011 eröffnet und richtet sich gegen das Konstrukt einer „Antifasportgruppe“, die wiederum für ein kleines Sammelsurium unterschiedlicher Straftaten verantwortlich gemacht wird. Der Grund: ein Verfahren nach §129 gibt der Polizei beinahe grenzenlose Ermittlungsbefugnisse, undenkbar bei Ermittlungen wegen Körperverletzung oder Sachbeschädigung. Die massenhafte FZA-Abfragen (wir erinnern uns: ca. 1 Mio. Datensätze von über 40.000 Betroffenen sammelte das LKA allein am 19.02.2011) wären ohne den §129-Ermittlungen nicht denkbar gewesen, ebenso die Durchsuchungswelle, die bis zum April 2012 andauerte.
Dass nun weitere Einstellungen im §129-Verfahren verkündet werden – die erste vorläufige Einstellung gab es vor knapp einem Jahr im Fall Lothar Königs – , sagt viel über die Substanz der Ermittlungen aus: sie sind vor allem politisch motiviert und richten sich gegen antifaschistisches Engagement jenseits der staatlichen Alibi-Veranstaltungen und -organisationen. Insbesondere mit der Razzia im Haus der Begegnung wollte die Staatsmacht dem 19.02.2011 ihren eigenen Stempel aufdrücken und das Anliegen den Naziaufmarsch zu blockieren gerade wegen seines Erfolgs diskreditieren. Doch die immensen und teilweise rechtswidrigen Ermittlungsmaßnahmen bringen hier keinen Erfolg. Das jedoch ist kein Grund für Staatsanwalt Alexander Keller auf die Anschuldigungen zu verzichten. Er erklärt: „Wir wissen, dass aus dem Gebäudekomplex heraus gewalttätige Übergriffe auf die Versammlungsteilnehmer gesteuert wurden. Wir können aber nicht nachweisen, wer es genau war.“ (sz-online.de, 13.07.2012) Fakt ist jedoch: noch nicht einmal das ominöse abgehörte Handy hat die Polizei bei der Durchsuchung des Hauses sicherstellen können. Woher der Staatsanwalt sein „Wissen“ hat, bleibt völlig unklar. Es ist letztlich auch egal, denn die lokale Presse übernimmt seine Behauptungen wie gewohnt ohne jede kritische Nachfrage und macht sich untertänigst zum Verkündungsmedium staatlicher Stellen.
Mit der Einstellung des Verfahrens in 21 Fällen ist die Geschichte nicht vom Tisch. Es bleiben noch ca. 25 Beschuldigte gegen die weiterhin nach §129 ermittelt wird. Ein Fakt, den offenbar auch die sächsische LINKE im Jubel um die Verfahrenseinstellungen lieber vergessen will. Es entsteht der Eindruck als werde sich dort vor allem darüber gefreut, nicht mehr mit dem Verfahren gegen die „Schmuddelkinder“ von der Antifa in Verbindung gebracht werden zu können und folglich ein Imageproblem weniger zu haben. Das jedoch negiert die inhaltliche Dimension des §129-Verfahren – den grundsätzlichen Angriff auf antifaschistisches Engagement – und macht sich die rechtskonservative Spaltungsabsicht zwischen „friedlichem“ und „gewaltbereitem“ Protest zu eigen. Die richtige Antwort kann hier nur umfassende Solidarität sein, gerade auch mit denen, die weiterhin staatlichen Repressionsmaßnahmen ausgesetzt sind. Unsere Forderungen bleiben aktuell: Einstellung des §129-Verfahrens. Weg mit §129. Schluss mit der Kriminalisierung antifaschistischen Engagements.