Nach dem fragwürdigen „Auslandseinsatz“ sächsischer Polizeibeamter in Jena und der umstrittenen Hausdurchsuchung beim Jugendpfarrer Lothar König am 10. August, fand sich am Dienstag der Rechtsausschuss im Sächsischen Landtag zu einer Sondersitzung zusammen. Die Opposition verlangte Antworten.
Dabei teilte die Staatsanwaltschaft Dresden mit, dass das Ermittlungsverfahren nach §129 StGB gegen König seit 19. August vorläufig eingestellt ist und nunmehr „nur“ noch wegen des Verdachts des schweren Landfriedensbruchs gegen den Jenaer Pfarrer ermittelt werde. Schnell verbreitete sich diese scheinbar positive Meldung in der Öffentlichkeit. Doch was nach Einlenken der Staatsanwaltschaft anmutet, offenbart einmal mehr die Dreistigkeit, mit der in Sachsen derzeit gegen alle vorgegangen wird, die sich antifaschistisch engagieren.
Eingestellt worden ist das Verfahren wegen Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung nicht abschließend, sondern vorläufig – d.h. das Verfahren kann jederzeit wieder aufgenommen werden. Der Grund der Einstellung liegt auch nicht etwa darin, dass sich der Verdacht nach Ansicht der Staatsanwaltschaft zerschlagen hätte. Die Einstellung erfolgte vielmehr, weil die Dresdner Ermittlungsbehörde meint, in dem gegen den Jugendpfarrer geführten parallelen Verfahren wegen Landfriedensbruch eine höhere Strafe erwarten zu dürfen (§ 154 Abs. 1 Nr. 1 StPO).
Diese nun so eilig erfolgte Einstellung bestätigt ebenso die beeindruckenden Eigenschaften des §129 StGB als Ermittlungsparagraf. Halten wir fest: Am 7. Februar 2011 wird das Ermittlungsverfahren gegen Lothar König wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung eröffnet. Monatelang wird nun unter Aufgebot aller polizeilichen Ermittlungsmethoden, die der § 129 StGB legitimiert, gegen den Pfarrer und sein Umfeld ermittelt. Am 21. April 2011 gesellt sich nun ein Ermittlungsverfahren wegen Landfriedensbruch (§ 125 StGB) hinzu. Die Überwachung geht weiter. Als Lothar König erfährt, dass er einer von 22 Beschuldigten ist, der eine kriminelle Vereinigung gebildet haben soll, äußert er sich kritisch in einem Artikel im Nachrichtenmagazin ‚Der Spiegel‘. Er wurde darin zitiert, dass ihn die Ermittlungsmethoden der sächsischen Behörden an die Stasi erinnerten. Nur eine Woche später führt die sächsische Polizei am 10. August eine Hausdurchsuchung in den Amtsräumen des Jugendpfarrers im Alleingang durch, ohne ihre Aktion mit den zuständigen thüringer Behörden abzustimmen. Die politischen Wellen schlagen hoch, die Kritik an den sächsichen Vorgängen wächst außerhalb des Freistaates, Thüringen verwahrt sich gegen Eingriffe durch die sächsischen Ermittlungsbehörden und spricht davon, keine „sächsischen Verhältnisse“ zu wollen. Neun Tage später präsentiert man die Einstellung des Verfahrens, welches bis dahin seine Dienste als Türöffner getan hatte.
Dass gegen Lothar König ermittelt wurde, weil er eine kriminelle Vereinigung gebildet haben soll, hatte jedoch noch einen weiteren Effekt. Als prominenter Gottesmann, der nicht gerade durch sportliche Fitness bekannt ist, führte er besonders plastisch die Absurdität der staatsanwaltschaftlichen Konstuktion einer mafiös organisierten Antifastruktur, die gezielt Jagd auf Nazis macht, vor Augen – und lenkte damit natürlich auch das öffentliche Interesse auf das Gesamtverfahren nach § 129 StGB. Nachdem dadurch wachsende Kritik am Verfahren den Ermittlungsbehörden zu unbequem wird, erfolgt die Verfahrenseinstellung gegen den prominentesten Beschuldigten. Gleichzeitig wird das Verfahren unbeirrt fortgeführt gegen die übrigen 21 Betroffenen – sie sind weder bekannt, noch üben sie Berufe aus, die in der Gesellschaft einen gewissen Bonus in Sachen Unschuldsvermtung genießen.
Aus diesen Gründen ist die Einstellung des Verfahrens nach §129 StGB gegen Lothar Köng kein ungetrübter Grund zur Freude. Weiterhin sind 21 Personen mit dem Vorwurf konfrontiert, eine kriminelle Vereinigung gebildet zu haben. Sie und ihr Umfeld müssen weiterhin davon ausgehen, dass Polizei und Staatsanwaltschaft sämtliche Überwachungs- und Ermittlungsmöglichkeiten einsetzen. Weiterhin werden Dresdner Richter auf Basis dieses konstruierten Vorwurfs jede noch so einschneidende Maßnahme mit ihrer Unterschrift anordnen, wie bereits die immensen Handydatenabfragen. Dieses offenbar politisch motivierte Vorgehen gegen Antifaschist_innen, jenseits jeder Verhältnismäßigkeit, gehört weiterhin in der Öffentlichkeit in Frage gestellt und kritisiert, unabhängig vom öffentlichen Status der betroffenen Personen. Wir hoffen auf die ungebrochene, in den letzten Wochen von so Vielen demonstrierte, Solidarität mit den Betroffenen der Kriminalisierung antifaschistischen Engagements.