Extrem sortiert oder „Ich mache mir die Welt wie sie mir gefällt“ – Inneminister Ulbig und sein auserwähltes Symposium

Die Intiativgruppe „Sachsens Demokratie“ lädt zur kritischen Begleitung:

Kundgebung: „Extrem sortiert“
Wann? Freitag, 20. Mai 2011 ab 12 Uhr
Wo? Pirnaische Straße 9, vor dem Gebäude der Sächsischen Aufbaubank

Aufruf

Jahrelang galt das einzige Interesse der sächsischen Regierungspolitik anlässlich des 13. Februars dem Ermöglichen eines Stillen Gedenkens. Dass zu diesem Anlass regelmäßig einer der größten deutschen Naziaufmärsche durch Dresden zog, interessierte dabei nicht. Mittlerweile, nach dem der Aufmarsch zum zweiten Mal blockiert wurde, entdeckt auch die schwarz-gelbe Regierung Kommunikationsbedarf. Deswegen lädt Innenminister Markus Ulbig am 20.05.2011 zwischen 13 und 17 Uhr zu einem Symposium in die Sächsische Aufbaubank ein.

Dabei war zum Zeitpunkt der Symposiumsverkündung Anfang März eigentlich schon alles gelaufen. Erneut war der Aufmarsch mehrerer tausend Nazis durch entschlossene Blockaden verhindert worden. Entgegen den Bemühungen der Polizei, die mit Wasserwerfern, Pfefferspray und Knüppeln gegen Protestierende vorgingen. Entgegen dem Willen der sächsischen Verwaltungsgerichte, die via Gerichtsentscheid legitime Proteste pauschal zur Störung erklärten und mit Hilfe eines sogenannten Trennungsgebotes faktisch unmöglich machen wollten. Und entgegen einer Stadtverwaltung, der zu einem der größten Naziaufmärsche Deutschlands nichts weiter einfällt, als dessen Route geheimzuhalten und Gegenveranstaltungen mit absurden Begründungen auf die andere Elbseite zu verbannen.

Es ist keineswegs abwegig sich angesichts dieser Situation Gedanken zu machen. Im Umgang mit Naziaufmärschen hat sich Dresden wahrlich nicht mit Ruhm bekleckert. Bezeichnenderweise konnten die beachtlichen Fortschritte der zurückliegenden Jahre erst durch groß angelegte bundesweite Mobilisierungen und starke Unterstützung von außerhalb erreicht werden – in Dresden selbst fühlten sich nur wenige zuständig. Das Symposium des Innenministers will nun klären, „was unsere grundlegenden Werte sind.“ Seltsam mag erscheinen, dass sich diese Frage für die sächsische Landesregierung erst jetzt stellt. Aber immerhin: sie wird gestellt.

Doch diese optimistische Sicht verfliegt rasch. Was vom Innenminister als „eine breite gesellschaftliche Debatte“ angekündigt wurde, zeigt sich inzwischen als abgeklärte Inszenierung, bei dem die schwarz-gelbe Landesregierung ihre ganz eigenen Vorstellungen zu Dresden und dem 13. Februar zur Aufführung bringen möchte.

  • Das Thema formuliert das SMI gemäß der Extremismus-Doktrin, aber fernab der Realität: statt über den Umgang mit Naziaufmärschen zu diskutieren, will es „erhebliche(n) Gesprächsbedarf über den Umgang mit extremistischen Versammlungen“ ausgemacht haben. Was jedoch jenseits der Naziaufmärsche gemeint sein soll, bleibt unklar.
  • Die Besetzung der Podien folgt einer eigenwilligen Logik: der durchschnittliche Podiumsteilnehmer ist männlich, etwa 55 Jahre alt und optimalerweise Jurist und/oder CDU/CSU-Politiker. Wieso angenommen wird, diese elitäre, staatstragende Altherrenrunde sei in der Lage eine breite gesellschaftliche Debatte abzubilden, ist rätselhaft. Nicht nur, weil Frauen offensichtlich keinen relevanten Beitrag zur Debatte leisten könnten, sondern auch, weil wesentliche Akteurinnen und Akteure, die die Proteste der vergangenen Jahren getragen haben, schlicht fehlen. Seine Ankündigung das Bündnis „Dresden Nazifrei“ „auf jeden Fall“ einzubinden (ZEIT, 10.03.2011), hat Innenminister Ulbig schnell wieder vergessen.
  • Wer als Gast an der Veranstaltung teilnehmen will, muss offenbar die Gunst des SMI genießen. Es verlangt erst die Abgabe von Name und Adresse, um im Anschluss zu entscheiden, ob eine Einladung erteilt wird. Diejenigen die nicht kommen dürfen, werden mit dem Hinweis auf das begrenzte Kartenkontigent vertröstet, ganz so als sei es nicht möglich gewesen, angemessen große Räumlichkeiten für das Symposium zu finden.

Dass unter solchen Bedingungen „demokratische Verständigung und eine politische Auseinandersetzung“ stattfinden werden, darf bezweifelt werden.

Der Blick auf die Begleitumstände legt ebenfalls nicht nahe, dass in Dresden eine offen und gleichberechtigte politische Auseinandersetzung stattfinden soll. Eine Sonderkommission der Polizei und die Staatsanwaltschaft verfolgen hunderte Blockierer_innen und versuchen so die Proteste zu kriminalisieren. Das Landeskriminalamt (LKA) ermittelt unterdessen mit Hilfe des Vorwurfs einer „kriminellen Vereinigung“ gegen Antifaschist_innen. Beide Maßnahmen sollen antifaschistisches Engagement einschüchtern. Quasi nebenbei wird somit auch noch der statistische Anstieg linker Straftaten produziert und die Gefahr von Links heraufbeschworen.

Währenddessen setzt ein Hinterbänkler der CDU-Fraktion die demokratischen Oppositionsparteien mit der NPD gleich und die Staatsregierung verpasst einer nach ihrem Geschmack zu aktiven Zivilgesellschaft Gesinnungs- und Maulkorbklauseln.

Über all das sollte man wirklich einmal reden!

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