Seit etwa vier Jahren läuft das §129-Verfahren in Dresden gegen zur Zeit noch 24 Menschen, die Teil einer sogenannten „Antifa-Sportgruppe“ sein sollen. Vier Jahre lang nutzten die Ermittlungsbehörden die komplette Palette an Repressionsmaßnahmen, die das Gesetz gemäß diesem Paragraphen zur Verfügung stellt – offene und verdeckte Observationen, Telefon- und Internetüberwachung, Hausdurchsuchungen, Beschlagnahmungen von Rechnern und persönlichen Sachen, Befragungen von Bekannten, Freund_innen und Familie und Funkzellenabfragen im Dresdner Stadtgebiet unter anderem während der Proteste gegen den Naziaufmarsch am 13. und 19. Februar 2011. Konstruiert wurde eine Gruppe, die gezielt Angriffe auf Neonazis verübt haben soll. Die Ermittlungen basierten auf Vermutungen, Spekulationen und den Aussagen stadtbekannter Neonazis. Der damalige Oberstaatsanwalt und Sprecher der Staatsanwaltschaft Dresden, Lorenz Haase, begründete den Ermittlungseifer zunächst folgendermaßen: „Wenn man in Palermo mafiöse Strukturen durchleuchten will, dann muss man in die Breite ermitteln.“[1] Auch wenn er später zurückrudern musste, wurden die Maßnahmen ausgeweitet und weitere Ereignisse, die mit dem Protest gegen Neonazis oder Auseinandersetzungen zu tun hatten, in den Verfahrenskomplex einbezogen.
Der Rechtsanwalt Peer Stolle, der einen der Betroffenen vertritt, erklärte dazu: „Dieses Verfahren zeigt mit aller Deutlichkeit, dass es sich bei dem § 129 StGB um einen reinen Ermittlungsparagraphen handelt, der das Ziel hat, politische Szenen auszuforschen und ihre Arbeit zu behindern. Schon Spekulationen und Behauptungen reichen aus, um schwerwiegende Grundrechtseingriffe zu rechtfertigen. Das Vorgehen der Dresdner Staatsanwaltschaft bestätigt mal wieder die Notwendigkeit der Abschaffung dieses Paragraphen.“[2]
Nach mehreren Dienstaufsichtsbeschwerden wegen Verschleppung des Verfahrens gegen den ermittlungsführenden Staatsanwalt und den Abteilungsleiter wurde das Verfahren gegen einen der vermuteten Rädeslführer eingestellt wegen angeblich geringer Schuld. Im Rahmen der Ermittlungen konnte lediglich die Teilnahme des Betroffenen an Protesten gegen eine Naziveranstaltung festgestellt werden, bei denen es nichteinmal zu Straftaten kam. Als Grund für die Einstellung wird jedoch nach § 153 StPO eine so geringfügige Schuld genannt, dass kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht – bei dem Vorwurf der Rädelsführerschaft in einem Verfahren dieser Größenordnung und Dauer eine erstaunliche Einschätzung. Diese Begründung steht zudem in einem krassen Widerspruch zum Ermittlungsaufwand und zeigt einmal mehr das repressive Vorgehen der Behörden gegen antifaschistisches Engagement.
Josephine Fischer, Pressesprecherin der Kampagne Sachsens Demokratie, erklärt dazu: „Damit steht die Staatsanwaltschaft Dresden wieder in bester sächsischer Tradition. Anstatt das Verfahren wegen mangelndem Tatverdacht einzustellen und damit die Absurdität und Substanzlosigkeit des Vorwurfs einzugestehen, versucht sie sich mit fadenscheinigen Begründungen aus der Affäre zu ziehen. Dass die Staatsanwaltschaft den eigenen rechtsstaatlichen Prinzipien nicht folgt ist in Sachsen keine Überraschung, hier hat die Verfolgung und Kriminalisierung von Antifaschist_innen Vorrang.“
[1: TAZ am 26.07.2011 „Die Dresden-Mafia“ http://www.taz.de/!75103/]
[2: http://www.dka-kanzlei.de/news-reader/erstes-129-verfahren-gegen-antifaschistinnen-in-dresden-eingestellt.html]
Eine ausführlichere juristische Einschätzung zur Einstellung des Verfahrens findet ihr auf der Website des Anwalts Peer Stolle, der den Betroffenen in dem Verfahren vertritt.
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