Der Referent*innen Entwurf für das neue sächsische Polizeigesetz (Sächsisches Polizeivollzugsdienstgesetz – SächsPVDG) wurde geleaked: download
Einführung
Wenn es nach der sächsischen Polizei geht, sind wir zukünftig alle verdächtig. Wir alle sind eine potenzielle Bedrohung und müssen mit Kameras, Maschinenpistolen und Überwachungstechnik in Schach gehalten werden. Der Staat scheint sich vor uns schützen zu wollen aber wie schützen wir uns eigentlich vor dem Staat?
Im sächsischen Landtag wird derzeit über ein neues Polizeigesetz verhandelt. In Bayern soll ein ähnliches Gesetz verabschiedet werden und stößt auf viel Widerstand.
Nicht umsonst wird der (bayerische) Entwurf als „schärfstes Polizeigesetz seit 1945“ bezeichnet: Die Polizei soll umfangreiche neue Befugnisse erhalten, selbstständig Grundrechte einschränken und uns alle überwachen und bespitzeln dürfen. Gleichzeitig werden die Einheiten militärisch aufgerüstet und bewaffnet. Hier werden Freiheitsrechte und die Unschuldsvermutung mit Füßen getreten. Es wird verstärkt ein Klima der Angst und des gegenseitigen Misstrauens geschaffen. Der Rechtsstaat verändert sich immer mehr hin zu einem autoritären Polizeistaat. Diese Entwicklung betrifft uns alle!
Angriff auf Grundrechte
Das Gesetz gibt der Polizei Befugnisse bei einer „drohenden Gefahr“ und gegenüber sogenannten Gefährdern. Die sächsische Polizei könnte dann bei bloßen Vermutungen ermitteln, ohne dass überhaupt ein Verbrechen begangen wurde oder ein begründeter Verdacht vorliegt. Das bedeutet: Die Polizei kann quasi gegen jede/n ermitteln. So würde das Polizeigesetz die Unschuldsvermutung außer Kraft setzen.
Eine Art Hausarrest (Aufenthaltsgebot §21) bis zu drei Monaten kann die Polizei verhängen, auch ohne richterlichen Beschluss. Dies kann sie mittels elektronischer Fußfesseln durchsetzten. Jede Privatsphäre von Betroffenen kann ohne konkreten Vorwurf ausgehebelt werden. Auch Verdächtige und Verurteilte haben Grundrechte. Das unterscheidet einen Rechtsstaat vom Polizeistaat.
Mit dem neuen Polizeigesetz soll auch der besondere Schutz für Journalist/Innen und Beratungsstellen aufgehoben werden. Die Polizei darf diese dann auch nach eigenem Ermessen abhören und überwachen. Das ist ein drastischer Eingriff in die Pressefreiheit und gefährdet das Vertrauen in diese Institutionen.
Das neue Polizeigesetz rüttelt an der körperlichen Unversehrtheit, der persönlichen Freiheit, dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung, dem Briefgeheimnis, der Unverletztlichkeit der Wohnung. Das Gesetz ist ein Angriff auf unsere Grundrechte und die Grundfesten des Zusammenlebens. Das können wir nicht hinnehmen!
Rassismus und Abschottung
Viele der Maßnahmen, die im Gesetz vorgesehen sind, richten sich offensiv gegen Geflüchtete und Menschen, die nicht in Deutschland geboren sind. Die Einstufung von Refugee-Unterkünften als sogenannte „gefährliche Orte“ stellt alle dort Lebenden unter Generalverdacht und lässt zu sie jederzeit zu kontrollieren. Hausarrest und technische Überwachung erleichtern es, Menschen jederzeit orten und abschieben zu können.
Stärkere Grenzkontrollen mithilfe von Videoüberwachung und Gesichtserkennung dienen nicht der allgemeinen Sicherheit sondern der Abschottung nach außen.
Der Staat nimmt sich hier das Recht, Menschen als Kriminelle zu behandeln, sie zu bevormunden und zu schikanieren und das ausschließlich auf Grund ihrer Hautfarbe und Herkunft. Das ist keine Sicherheitspolitik, das ist rassistische Ausgrenzung. Flucht ist kein Verbrechen – Bewegungsfreiheit ist Menschenrecht!
Überwachung um jeden Preis
Das neue Gesetz würde die Videoüberwachung noch mehr ausweiten: Auch die Polizeibehörden, also die Kommunen, sollen künftig mit Kameras überwachen dürfen. Kennzeichen, Ort, Zeit und Fahrtrichtung von Autos soll die Polizei zu bestimmten Anlässen automatisch erfassen dürfen. In grenznahen Gebieten soll sogar automatische Gesichtserkennung ermöglicht werden.
Der Öffentliche Raum wird so immer mehr überwacht. Der Staat soll überall zuschauen.
Zusammen mit den vielen digitalen Überwachungsprogrammen führt das zum „gläsernen Menschen“. Wir lassen uns nicht belauschen und überwachen. Wir haben ein Recht auf Privatsphäre!
Grungrechte statt Polizeisonderrechte
Auch Polizeibeamt*innen im Dienst begehen Straftaten. Es kommt jedoch selten zu Prozessen gegen sie und sie werden praktisch nie verurteilt, obwohl Betroffene Anzeige erstatten. . Wir fordern dagegen, auch Polizist*innen zur Verantwortung zu ziehen: Mit einer Kennzeichnungspflicht könnten Beamt*innen nach Straftaten juristisch verfolgt werden. Eine Beschwerdestelle könnte ein Beginn sein, Polizei zu kontrollieren und Missständen entgegenzuwirken – wenn sie unabhängig ist. Das würde die Grundrechte Aller stärken.
Stattdessen bleiben diese wiederholten Forderungen unbeachtet, Polizist*innen „kontrollieren“ sich gegenseitig und interne Ermittlungen enden weiterhin an einer Mauer des Schweigens. Keine andere Berufs- oder Bevölkerungsgruppe hat solche Sonderrechte.
Paragraphen
Militarisierung, Bewaffnung (§40)
Einige Polizeieinheiten tragen künftig Handgranaten, Maschinengewehre und anderes militärisches Equitment.
Hausarrest & Fußfesseln (§21)
Die Polizei kann dir zukünft verbieten dich an bestimmten Orten aufzuhalten, dir den Kontakt zu bestimmten Menschen untersagen, dich zwingen einen festen Bereich nicht zu verlassen oder dich unter Hausarrest stellen. Dazu darf sie dich auch zwingen eine elektronische Fußfessel zu tragen.
Videoüberwachung, Gesichtserkennung (§ 15, § 58 sowie § 30 PVB)
Zukünftig dar der öffentliche Raum noch stärker videoüberwacht werden. Dazu darf auch Gesichtserkennungstechnik und Kennzeichenerfassung eingesetzt werden. Es kann dadurch genau erfasst werden, wann du dich wo in diesen Bereichen aufgehalten hast. Auch das Ordnungsamt und die Kommunen dürfen diese Technik einsetzen. Sie ist nicht auf konkrete Ermittlungen beschränkt.
Telefon- und Handyüberwachung (§§ 66-70)
Zukünftig dürfen Polizeibeamte nicht nur Telefonate abhören, sondern sie auch unterbrechen. Das gilt auch für ganze Funkmasten. Der Handyempfang kann so etwa in ganzen Gebieten (etwa bei Demos) unterbrochen werden. Außerdem dürfen auch die Bestandsdaten eines Mobiltelefons ausgelesen werden. Also: Name, Adresse, Kontodaten, PIN & PUK Nummer, gespeicherte Passwörter, alles Accountzugänge auf dem Telefon, Mailaccounts und gespeicherte Bilder und Kontakte.